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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2005-02-20 | [This text should be read in deutsch] |
Es macht natĂŒrlich einen Unterschied, ob man ein auf reiner Psychologie basierendes Drama oder eins mit betont historischem Hintergrund Jahrhunderte nach seinem Entstehen als zeitgenössisches StĂŒck inszeniert. Bei ersterem spielt es wirklich kaum eine Rolle, wie die Protagonisten daherkommen. Ihre seelischen Konvulsionen spielen sich unabhĂ€ngig von ihrem Ă€uĂeren Erscheinungsbild ab. Bei einem StĂŒck mit klarer geschichtlicher Zuordnung wird die Sache schon etwas heikler.
Bei der IngolstĂ€dter Inszenierung der Shakespeare-Tragödie Richard III. wird das sehr deutlich. Wenn der Hofstaat des blutrĂŒnstigsten aller englischen Könige im Managerlook und Boutiquen-Damengarderobe agiert, kann man das sogar noch nachvollziehen, geht es doch in so manchen Vorstandsetagen von Wirtschaft und Politik auch nicht unbedingt gesittet zu, wenn aber dann der im Waschbecken ertrĂ€nkte Bruder des mit allen Mitteln an die Macht strebenden Richards von Gloucester nackt an einem Fleischerhacken per Kran entsorgt wird, hört man doch ein abfĂ€lliges Raunen durch die Zuschauerreihen gehen. Dieser Dritte im Bunde der englischen Richards war wahrlich ein verbrecherisches Scheusal. Dass er als KrĂŒppel zur Welt kam ist geschichtlich zwar nicht hundertprozentig belegt, wurde aber schon von Shakespeare als wichtiges Minderwertigkeitskomplexargument fĂŒr die mörderischen Anlagen seines tragischen Helden instrumentalisiert. Richard III. wurde zum GlĂŒck nicht allzu alt. Noch vor seinem 33. Geburtstag (*2.10.1452), fiel er am 22. August 1485 in der Schlacht bei Bosworth Field. Damit war die geschichtliche Epoche der Rosenkriege zwischen den ThronprĂ€tendenten der HĂ€user Lancaster (mit einer roten Rose als Wappenzeichen) und York (weiĂe Rose) beendet. Es folgte die Zeit der Tudors. Zwei Jahre regierte Richard III. und sieben Morde gehen auf sein Konto. Selbst hat er sich die HĂ€nde natĂŒrlich nie mit Blut verschmiert, aber zu seinen intriganten Vernichtungsvergehen bekennt er sich ohne Scheu und mit arroganter Ăberzeugung. So zumindest hielt William Shakespeare (1564 â 1616) den englischen Herrscher fĂŒr die Nachwelt fest. Die Taten der königlichen HĂ€scherwerkzeuge spielen sich vor den Augen der Zuschauer ab und erzeugen die eigentliche Spannung der drei angesetzten Theaterstunden. Wer wird wohl das nĂ€chste Opfer sein? In der âFassung des Theaters Ingolstadtâ (Programmheft) kommt im Laufe der Spielzeit auch die Frage auf: In welcher Filmaufmachung wird der nĂ€chste Mord inszeniert? Da wĂ€hnt man sich plötzlich in der Al-Capone-Zeit und bei der folgenden Schandtat in einem James-Bond-StĂŒck. Wer schon zu Beginn von der ganzen Dallas-AtmosphĂ€re dieser Intrigengeschichte nicht gleich abgeschreckt ist, darf sich jetzt zurecht ĂŒber wahrlich zu viel Effekthascherei Ă€rgern. Schade. So werden zum Teil wirklich bemerkenswerte schauspielerische Leistungen wertgemindert. Bettina Schmidt spielt Richard, Herzog von Gloucester, spĂ€ter Richard III.. Ja, eine Frau, ein Kunstgriff, wie Chefdramaturg Matthias GrĂ€tz eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung in einer EinfĂŒhrung den Interessierten erlĂ€uterte. (Das StĂŒck wird zur Zeit so heftig in Stadt und Umland diskutiert, dass die Theaterleitung sich fĂŒr diesen Zusatz entschlossen hat.) Der Gegensatz zwischen der physisch zerbrechlich und gar bemitleidenswert wirkenden Richard-Gestalt und ihren MordgelĂŒsten wird so bis zum ĂuĂersten ausgereizt. Dazu kommt die alle Register ihrer Darstellungskunst ziehende Schauspielerin. Ihr Spiel ist so fassettenreich, dass die Frauenstimme schon bald nicht mehr störend wirkt. Genial, diese Palette von heuchlerischen Schicksalsergebenheiten, ĂŒber epileptische AnfĂ€lle bis zu scheinbar unkontrollierten WutausbrĂŒchen. Man vergisst dabei, dass dies alles inszeniert ist, um das opportunistische Umfeld zu tĂ€uschen und die Macht zu ergreifen, beziehungsweise zu erhalten. Auch die Frauen sind in diesem bösen Spiel nicht unschuldig, ĂŒbrigens zum ersten Mal bei Shakespeare. Lady Anne (Claudia Steiger) ist sich nicht zu Schade zu dem mordenden KrĂŒppel ins Bett zu steigen, nachdem der ihren Mann (und seinen Bruder) George, Herzog von Clarence, beseitigen lieĂ. Und da wĂ€re noch dieser omniprĂ€sente Herzog von Buckingham (Matthias Winde). Er lĂ€sst mit seiner unverzichtbaren Aktentasche noch am ehesten erahnen, wie es heutzutage da oben in den Zentralen der Macht zugeht. Die richtigen RatschlĂ€ge zum richtigen Moment parat haben, stets zum Arschlecken bereit sein und die eigenen Interessen nie aus den Augen verlieren, das hat Matthias Winde hervorragend vermittelt. Dass es den Herzog zum Schluss dann doch erwischt, lĂ€sst sich mit der Skrupellosigkeit des halbgelĂ€hmtem WĂŒterichs erklĂ€ren. Zum Schluss bleibt er allein und wird besiegt, der nach eigener Ăberzeugung zum âSchurkenâ geborene englische König Richard III, und so mancher Zuschauer wĂ€re dankbar gewesen, wenn er in einer epochengetreuen Inszenierung dessen Ende erlebt hĂ€tte. So war er als Zuschauer halt gefordert. Er musste im Laufe des Abends unter anderem die lediglich suggerierte AtmosphĂ€re des englischen Hofes von vor genau 520 Jahren mit den per Fernseheinspielung abgegebenen Kommentaren von IngolstĂ€dter Politikern und einem Kleriker in Einklang bringen. Trotzdem waren das drei Stunden gutes und noch mehr diskussionswĂŒrdiges Theater. Das ist auch so gewollt. Und warum das heute so und nicht anders ist, erklĂ€rt der Intendant des Theaters Ingolstadt und Regisseur dieses StĂŒckes, Peter Rein, wie folgt: â Ideen und Einsichten vergangener Epochen werden von den Theaterschaffenden auf ihren heutigen Gehalt âabgeklopftâ und ĂŒberprĂŒft. Und so wie jeder Dirigent ein MusikstĂŒck gemÀà seiner Werkauffassung interpretiert, kommt auch das Theater zu unterschiedlichsten Ergebnissen. Denn Theater ist weder Museum, noch Literaturarchiv.â âRichard III.â, Tragödie von William Shakespeare; am Theater Ingolstadt; weitere AuffĂŒhrungen: 2. MĂ€rz, 3. MĂ€rz 18. MĂ€rz und zum letzten Mal 29. MĂ€rz 2005, alle 19.30 Uhr. |
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