agonia
deutsch

v3
 

agonia.net | Richtlinien | Mission Kontakt | Konto erstellen
poezii poezii poezii poezii poezii
poezii
armana Poezii, Poezie deutsch Poezii, Poezie english Poezii, Poezie espanol Poezii, Poezie francais Poezii, Poezie italiano Poezii, Poezie japanese Poezii, Poezie portugues Poezii, Poezie romana Poezii, Poezie russkaia Poezii, Poezie

Artikel Gemeinschaften Wettbewerb Essay Multimedia Persönlich Gedicht Presse Prosa _QUOTE Drehbuch Spezial

Poezii Românesti - Romanian Poetry

poezii


 
Weitere Texte dieses Autors


Ãœbersetzung dieses Textes
0

 Kommentare der Mitglieder


print e-mail
Leser: 3906 .



Bei der Granatapfelernte in Rahova – 3
prosa [ ]
Erinnerungsroman von Anni- Lorei Mainka [Almalo ] (1958 - 2014)
Serien: Ãœbersetzungen

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
von [Delagiarmata ]

2015-07-24  |   

zum Originaltext  | 



So um 1965 hieß ein Arztbesuch, „wir gehen zur Poliklinik“. Dort war Frau Doktor, „die dich gut macht“.

Ja, sie machte mich gut. Es war Frau Doktor Dessila. Ich weiß nicht, warum ich sie noch in Erinnerung behalte. Sie war sehr alt. Sie hatte bestimmt nicht mehr als 40 Jahre, aber ich hatte ungefähr 5 und dauernd hatte ich Kongestion oder Eselshusten oder ich weiß nicht wie viele Windpocken. Dann kam auf Anruf der Rettungsdienst und Mutter war in der Arbeit; die Nachbarn kümmerten sich um den Hausschlüssel und mich. Dann fragte Mutter die Nachbarn, wo man mich hingebracht hat, denn die Injektionen passten nicht gerade zur Diagnose und es gab keine Handys und nicht besonders viele Taxis. Mutter fand mich. Ich war in Krankenhäusern, deren Namen ich vergessen habe, aber ich wusste, dass Mutter keinen Zutritt hatte, und sie machte mir Zeichen durchs Fenster, manchmal mit einer Banane in der Hand. Ich glaube, der Gedanke an Orangen und Bananen ließ mich schnell genesen.

Bei uns im Rahova-Viertel riefen die Leute nicht gleich den Rettungsdienst. Man verließ sich auf die Füße. Die Nachbarin Rarița*, ich weiß nicht, warum man sie so nannte, erklärte der Mutter, dass sie nicht zum Doktor gehe, obwohl sie einen offenen Fuß vom Zucker hatte: „Na was, würde ich in meinem Dorf oben auf dem Hügel wohnen, würde ich gehen? Ich würde nicht gehen. Na und jetzt soll ich gehen, um ihnen Schmiergeld zu geben, dass sie mir den Fuß abschneiden … lass es sein, die sollen mich so begraben.“

Und Rarița haben sie so beerdigt, mit ihrem durchlöcherten Fuß, mit all ihren von den Motten durchfressenen Pullover, das Kopftuch war neu und am kleinen Finger hatte sie ein rotes Schnürband mit einer Münze.

Bei ihrem Begräbnis war ich nicht, aber bei dem ihres Mannes, der Bucklige, der sie in die Stadt gebracht hat aus ihrem Dorf unweit von Bukarest – Dumitrana oder Prunaru oder Vârteju oder wer weiß wie noch.

RariÈ›a und der Bucklige, der erste Bucklige in meinem Leben, waren unsere Nachbarn. Sie hatten ein kleines Haus, klein, so etwa in der Mitte der Straße. Ich erinnere mich ihrer, weil sie ein apokalyptisches Paar waren. Er, klein und schrecklich bucklig, und sie war groß, sehr, gefärbt wie eine Veranda, ganz von oben bis unten nur Blümchen und mit einem großen und weißen Gesicht. Wenn sie an unserem Haus vorbei zur Chaussee gingen, hatten sie immer Bonbons für mich und MihăiÈ›a*: „Nehmt, ich habe sie euch vom Markt mitgebracht.“

Und wir nahmen, es interessierte uns nicht, woher sie sind. Wir spürten, dass sie sehr alt waren, aber alle Kinder nahmen, schoben in den Mund und schämten uns. Der Altgeschmack hat uns mit der Zeit nicht mehr gestört. Ziemlich alles aus unserer Kindheit in Rahova roch nach Naphthalin, auch ohne die Motten. Aber das war es.

Der Bucklige ist brüsk gestorben. Sie haben ihn zusammengekrümmt gefunden, unter der burgunderfarbenen Decke mit den verfranzten Spitzen. Auch das Naphthalin roch nicht mehr nach Neu. Wir haben uns wie die Fliegen versammelt, um zu sehen, wie groß der Sarg für einen so kleinen Mann ist. Ich erinnere mich nicht mehr, wie er aussah, aber ich weiß, dass es wieder Süßigkeiten, Opferkuchen und Kleingeld an den Straßenkreuzungen regnete. Aber nach der ersten endete für mich die Reise.

„Renn nicht wie eine Verzweifelte nach dem Opferkuchen … nimm deine Sandalen … sie haben Schutt aufgefüllt.“

Was kümmerte mich der Bauschutt! Ich kam aus dem Internat und wusste nicht, was es hieß, dir Schutt in die Straße zu schütten.

Na gut, wenn eine Straße in Rahova um 1965 mit Bauschutt aufgefüllt wurde, hieß das, dieser Schutt kam von Abbrüchen und war voll mit Draht, Fenstern, Nägel, Asche. Alle Kinder, die die ganze Zeit auf der Straße lebten, wussten sich zu schützen. Ich versuchte, es ihnen gleich zu tun, aber es gelang mir nicht.

Beim Begräbnis des Buckligen, an der zweiten Straßenkreuzung, am Ende des Haufens Menschen hinter dem Wägelchen mit dem Sarg, habe ich in einen Draht, der aus einem Betonstück ragte, getreten und landete im Spital.

Nach einem halben Jahr mit Infektionen und Operationen und Narben wusste ich, was es bedeutet „sie haben uns Schutt in die Straße abgeladen“.

[aus dem Rumänischen von Anton Potche]


Worterklärung
Rarița = Raritza
MihăiÈ›a = Mihăitza (ă = Vokal zwischen a und e, wie in laufen)

.  | Index








 
shim Eine virtuelle Heimstätte der Litaratur und Kunst shim
shim
poezii  Suche  Agonia.Net  

Bitte haben Sie Verständnis, dass Texte nur mit unserer Erlaubnis angezeigt werden können.
Copyright 1999-2003. agonia.net

E-mail | Vertraulichkeits- und Publikationspolitik

Top Site-uri Cultura - Join the Cultural Topsites!