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Leser: 1870 .



Bei der Granatapfelernte in Rahova – 28
prosa [ ]
Erinnerungsroman von Anni-Lorei Mainka [Almalo ] (1958 - 2014)

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von [Delagiarmata ]

2021-04-09  |   

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Ein Frühling im Süden Bukarests

Mit dem Frühling begannen in zahllosen Eimern Pelargonien, Begonien, Vergissmeinnicht, Stiefmütterchen und am Boden zwischen den Hofsteinen Eiskraut, eine kleine, liebliche Blume zum Tragen im Knopfloch, mit einer tränenklaren Farbe, aufgetaucht aus Sand und Trockenlaub, zu blühen. Ja, alle bemühten sich auf den Steinpostamenten, Holzstämmen, Regalen oder aufwärts kriechend am Haus und Zaun, hängend wie die Morgensterne oder das Efeu, je besser und strenger im Hof an der Perinița-Straße, zu riechen. Das Eiskraut habe ich mit nach Deutschland genommen, aber das hat ihm nicht gefallen. Die deutsche Erde bekommt ihm nicht und basta!

Abends öffnete sich die Königin der Nacht zwischen den Flieder- und wilden Rosensträuchern, die den Zaun zusammen mit dem Stachelbeerstrauch in ein helles Grün verwandelten. (Die hier unbekannten Beeren mit Vitamin-C-Geschmack, hat Mutter aus Siebenbürgen mitgebracht. Wer sie kostete, verzog das Gesicht oder wünschte sie sich statt Borstsch.) Viele farbenprächtige Blumen, deren exotische Namen ich vergessen habe und die dazu beitrugen, dass selbst die Hummeln es nicht mehr schafften, eine Nische im Zaun zu finden, um aus diesem Paradies zu fliegen, ließen so manchen Fußgänger, der an unserem Garten vorbeiging, innehalten oder sogar aus Neugierde umkehren. Die Kleinen stellten sich auf die Zehenspitzen, die Erwachsenen seufzten anerkennend, unterhielten sich über das Gesehene, schüttelten die Köpfe und fragten sich mit lauter Stimme, woher man bei so vielen Bänken und Eimern voller Blumen diese Geduld aufbringt.

An der rechten Hausseite thronte in einer speziell von einem Schreiner angefertigten und im gleichen Grün wie der Vorbau gestrichenen Kiste ein Zitronenbaum. Diese Kiste war sehr schwer. Sie war gefüllt mit Erde und Sand, damit er, der Zitronenbaum, sich wie zu Hause in den Weiten des Mittelmeerraumes fühlen sollte. Im Frühling und im Herbst brauchte man zwei Männer, um die grüne Kiste aus und in die Veranda zu befördern, mit dem hochgewachsenen Zitronenbaum, mit seltenen Blättern, dicker und grüner als die des Lorbeerbaums, und der jährlich nur eine Zitrone zur Reife brachte.

Ja, es war diese Veranda, durch die wir nur an Weihnachten und Ostern schreiten durften, wo die Luft Jahr für Jahr den Geruch der Winterbirnen, die brav auf ihre Reife warteten, konservierte; die Luft der Kuchen, des Pfeffers aus der Wurst oder die Luft der Zimtbeutel und sicherlich der Sonntags- und Winterkleider, die in einer Trachtentruhe, abgesperrt mit Schlössern aus dickem und schwerem Eisen, ruhten. Sie war ein Hochzeitsgeschenk meiner Urgroßmutter aus dem Jahre 1898.

Der Zitronenbaum war eine große Attraktion in dem Stadtteil mit vielen Pflanzenarten und Obstbäumen, aber in keinem Fall „Zitronen“. Nur bei Herrn Brăteanu, dem Meister im Veredeln von Bäumen aller Arten und Vater der großen Pfirsiche, habe ich damals auch Zitronen gesehen. Und wie groß die Stadt auch war, bei ihm gab es die einzigen Raritäten: japanische Kirschen und Magnolien. Beide versetzten uns durch ihren Blütenregen in eine Ekstase, die uns vor einem Pflaumen- oder Mirabellenbaum nicht widerfahren konnte.

In der Măgurele-Zone, also im ureigensten Rahova, wurde vorwiegend Schnaps gebrannt, Marmelade oder Pflaumenmus gemacht, Torten oder komplizierte Süßigkeiten mit Zimtstangen, Mentholblättern, Quarznägelchen oder Spezereien aus fernen Ländern, aber spezifisch für Siebenbürgen, gebacken. Hier habe ich das alles nicht vorgefunden, denn das Backen als kulinarische Kunst mit exotischen Beigaben kostete Zeit, Können und, muss man sagen, war eine jahrhundertealte Tradition.

In den Randgebieten Bukarests spielte das Leben sich nach unzähligen Traditionen ab. Jeder der Einwohner brachte von weit her mit, was ihm lieb und wichtig war, sowohl in der Seele als auch in Säcken, in Schilfkörben oder in bemalten und schweren Trachtentruhen. Und die Zeiten haben sie sortiert und ausgesiebt, so dass vom Chirigiu-Platz mit seinen aus Vama Veche Zugereisten, entlang der Rahova- und Alaxandriei-Chaussees bis hinaus nach Măgurele ein kleines Babylon entstanden war.

Größere und kleinere Villen säumten die Brücke der Verarmten, und alle versehen mit den traditionellen Zäunen aus Schmiedeeisen und mit kleinen Höfen voller Blumen vom Frühling bis in den Herbst. Die Häuser waren aus stabilen Steinen und bei Abrissen schwebte der Staub monatelang in der Luft. Die Kräne hatten mit den tiefen Fundamenten zu kämpfen, denn die Besitzer hatten sowohl das nötige Geld als auch die Geduld, ihre Bauten stabil und sauber hinzustellen. Jetzt stehen dort Wohnblocks mit angemalten Balkons, abgeblättertem Verputz und vollen Wäscheleinen, die das Villenviertel in den 80er Jahren verdrängt haben. Dessen Pecineaga-Apotheke bleibt für mich unvergesslich. Wenn du durch die engen Straßen gehst, die von Autos, deren Fahrer ihre jeweils eigenen Verkehrsregeln haben, zugeparkt sind, kommt es dir, die Sonnenbrille das ganze Jahr nicht mehr abzunehmen.

Irgendwie musst du auch dort leben können, wo andere sich in einem Horrorfilm wähnen, du musst durch die Welt deines Lebens schreiten, auch wenn du dir in deinen Erinnerungen manchmal auf die Lippen beißen oder dir eine Handuhr mit den Zähnen in die Hand eingravieren musst, wie damals in der Kindheit. Oder erinnern Sie sich nicht mehr an das Uhrmacher-Spiel, als jeder versuchte die Spuren seiner Zähne auf dem rechten Handgelenk seines Mitspielers zu hinterlassen, Spuren, die je länger sichtbar bleiben und die gewünschte Uhrzeit anzeigen sollten, besonders abends, wenn die Eltern aus voller Brust nach ihren Sprösslingen riefen.

Die Zitronen wurden zu den Orangen, Mandarinen und Grapefruits als exotische Früchte gezählt, die mit großen Anstrengungen in kleinen weißen Kistchen, meistens mit der Aufschrift „Jaffa“, herbeigebracht wurden. Es gab aber einen Unterschied zwischen diesen Früchten: Zitronen gab es in den kleinen Lebensmittelgeschäften das ganze Jahr über, während die anderen Zitrusfrüchte und Bananen wie eine Art Leckerbissen erst an den heiligen Feiertagen auftauchten. Sie wurden mit großer Sorgfalt erworben und mit seelischer Ruhe sowie dem stolzen Gefühl einer guten Tat heimgebracht, um mit ihnen diese Feiertagsstunden, Zeitschwellen unserer Erinnerungen, zu schmücken. Das Licht, das sie von den sonnigen Plantagen des Orients in sich trugen, oder die mediterrane Sonne drang durch die farbenreichen Schalen und bescherte uns eine Öffnung in die Welt. Wer kennt nicht Goethes Verse „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?“, die von all dem erzählen!

Wir in Rahova wussten instinktiv, dass die Welt sicherlich größer ist und dass man mit der Straßenbahn über den Unirii-Platz an den Nordbahnhof kommt, von wo du mit dem Zug viele Tage und Nächte fahren musst, um Zitronen und Orangen reifen zu sehen. Wenige, in erster Reihe von der Partei Auserwählte, hatten dieses Recht; auch die Talentierten, die die Partei zwar nicht verstand, sich mit ihnen aber weltweit brüstete, einige Schriftsteller, Künstler oder Sportler, nur sie konnten ins Flugzeug oder den Zug steigen, um Zitronen und Orangen in ihrer Heimat zu sehen, und natürlich Genosse Ceaușescu mit seiner Familie. Uns reichte die Fantasie, sie ersetzte die Wärme.

Diesen Früchten zeigte die ewige Sonne den Weg bis zu uns und das ließ uns sie genüsslich und mit Vertrauen in Gott, der in jenen Tagen aufpasste, verspeisen, so dass wir uns dabei alle möglichen Wünsche vorstellen konnten. Erst spät, gegen Januarende, schmolz der Schnee gemeinsam mit unserer Vorstellungskraft. Die „schönen Zimmer“ oder „die Vorderzimmer“, wie man sie in Siebenbürgen nannte, waren wieder verschlossen, man lebte an den Küchentischen, die Eimer mit den Muschkateln meidend, die in verschiedenen Hauswinkeln überwintert hatten, damit sie sich im Frühling erholen konnten, als es Apfel- und Pflaumenblüten regnete.

Der Zitronenbaum stand an einer heiligen Stelle, er genoss das Recht, die ganze Zeit über in der Veranda zu stehen, wo ich nur nach Bitten für einige Augenblicke eintreten durfte, um mir eine Birne oder ein Glas mit Konfitüre zu nehmen. Ich hätte mich dort länger aufgehalten, wäre es nicht so kalt gewesen und hätte Mutter mich nicht mit strenger Stimme ermahnt: „Was suchst du dort? Das ist alles für später.“ Ich suchte nichts Besonderes. Aber immer wieder entdeckte ich etwas Neues, das mich dazu veranlasste, die Strenge der Strafe bei meiner Verspätung in diesem Raum zu vergessen.

Oft betrachtete ich die Schachtel mit Ölfarben, die auf dem Kasten stand, bis die Farben steinhart waren, eine riesige Schachtel, die ich von Käthe-Tante für meinen Übertritt in die fünfte Klasse bekommen hatte. Wahrscheinlich hatte ich ihr mal erzählt, dass ich Malerin werden will. Als ich die Schachtel dann in der fünften Klasse endlich bekam, konnten die Farben nicht mehr benutzt werden, die Näpfchen waren hermetisch verschlossen und die Farben für ewig erstarrt.

Dort lagen an einem Ehrenplatz auch die Kollektionen der Zeitschriften QUELLE und BURDA sowie eine Sammlung Grammophonplatten, die ein Naiver einfach weggeschmissen hatte – sie waren aus der Mode. Unterdessen hatte der viel erwartete Pick-Up im Handel Einzug gehalten, eine graue Schachtel, einer kleinen Schreibmaschine ähnlich, für die man von Zeit zu Zeit Schallplatten kaufte.

An Weihnachten und Ostern und an den Geburtstagen der Großmütter, die Einzigen mit einer ernsten Feierstimmung Geehrten (ohne Geschenke oder Torten), lauschte man einem Konzert von Bach ebenso inbrünstig wie den Sendungen von Radio Freies Europa. Dann legte man zur Auflockerung der Unterhaltungen sächsische Musik oder Drafi Deutscher auf. Alle sangen mit, ohne den Text genau zu verstehen: „Damm, damm. Marmor, Stein und Eisen bricht.“

Ich habe das alles aufbewahrt, wie auch die zwei Geigen, viele Pakete und Päckchen mit Wolle, Stricknadeln aus Holz, für alle Größen und verschiedene Muster, für größere oder kleinere Löchlein. Ja, ich habe sie bei jedem meiner Besuche in jener Veranda sortiert und mich dabei gefragt, wie es sein wird, wenn ich erwachsen bin, malen kann, singen und backen aus dem von Generation zu Generation seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vererbten Backbuch. Aus diesem schon zerfledderten Buch in gotischer Schrift, auch an einem Ehrenplatz neben der Bibel in einem Seidensäckchen aufbewahrt, erfuhr man viel über das komplizierte Kochen und besonders über Spezereien, die in Rahova völlig unbekannt waren.

Ich kann viele Beispiele nennen, oder vergleichen wir zum Beispiel das Zubereiten eines Fisches. Zu jener Zeit wurde viel Fisch mit Oliven gegessen, man nannte dieses Gericht auch das Armenessen … Und dann, wer erinnert sich nicht an die Zündholzschachteln mit der Aufschrift „Kein Gericht ohne Fisch!“. In Siebenbürgen haben sie ihn auf keinen Fall in aller Eile mit Knoblauch angebraten, dort in Siebenbürgen hatten sie alle andere Öfen, mit mehreren Herdplatten, mit weißen Kacheln tapeziert, dann hatten sie spezielle Öfen zum Brot backen … alles Sachen, die es hier im Regat* nicht gab.

Das Haus der Großeltern in Marienburg hatte schon in meiner Kindheit einen Gasanschluss, in der Scheune wurde einmal in der Woche Brot gebacken, die Milch kam von den Kühen der Nachbarin, die wussten, wann sie auf die Weide gehen und wieder nach Hause kommen sollten, und der Rahm wurde nicht weich und wässrig in Weckgläsern gehalten, sondern steif und sehr fett in Schüsseln.

In Bukarest lebte man mit Gasofen und –flasche und der Durchschnittsmensch hatte in der Küche den Standartschrank aus einem Guss, blau oder grün, mit einer kleinen Vitrine für Gläser, einer langen Tür und einigen Schubladen. Das Wort Gasflasche kann viele Erinnerungen wachrufen, so einfach es auch klingen mag. Diese Gasbehälter aus Stahl waren notwendig, ja sogar lebenswichtig, und wer zwei besaß, gehörte zu den Glücklichen. Wenn eine leer war, musste man sich nicht gleich in die unvorstellbaren Schlangen, die manchmal sogar einen Tag und eine Nacht überdauerten, einreihen.

Diese Gasflaschen mussten aber gut behütet werden, denn viele brachen in Häuser ein, nur um solche zu entwenden. Die flaschenartigen Stahlbehälter wurden in speziellen Geschäften gefüllt und mit Wägelchen nach Hause gebracht. In den 60er Jahren, erinnere ich mich, brachten Autos die vollen Gasflaschen ans Haustor. Das waren aber die Jahre, als man alles bekam, es gab weder Warteschlangen bei der Milch noch beim Brot, um hier nicht auch noch Käse, Streichhölzer, Fleisch, Pariser-Wurst, Korckverschlüsse für Milchflaschen, in denen auch Eingesäuertes, Kaffee oder Bonbons für den Opferkuchen aufbewahrt wurde, zu nennen. Für alle diese Produkte stand man in den letzten Jahren vor ’89 in legendären und nicht enden wollenden Reihen an, nicht nur im Frühling oder Sommer, als es nicht kalt war, sondern das ganze Jahr über und zu jeder Tag- oder Nachtstunde. Auch Witze wurden in den Warteschlangen erzählt, die Leute stritten, versöhnten sich, sie kannten sich und halfen sich gegenseitig mit Ratschlägen. Die Reihen waren Teil des Lebens eines Großteils meiner Generation wie auch das Warten auf fast alles, in der Haltestelle, im Kino, im Theater, auch in der Kälte, morgens, mittags und abends.

Ich erinnere mich an einen Besuch im Nationaltheater im Frühjahr 1985. Gespielt wurde „Mäuse und Menschen“*. Es war so kalt, wir waren alle angezogen, nur Handschuhe hatten wir keine und fragten uns, wie die armen Schauspieler spielen konnten, sie gaben alles, als ob nichts ungewöhnlich gewesen wäre. So vergingen auch die Jahreszeiten und die Menschen haben versucht, ihre Traditionen nach Möglichkeit zu bewahren, mit einer Hoffnung, die damals vielleicht als Kraftquelle des Alltags unterschätzt wurde. Hier im Regat waren die Menschen fröhlicher, unbeschwerter, sie legten den Schwerpunkt auf die Gegenwart, an die Zukunft dachten sie nicht besonders.

„Die Leidenschaft für Blumen kennt keine Grenzen“, sprach Mutter manchmal leise mit sich, Abend für Abend Eimer mit Wasser schleppend, ohne beim Gießen auf die Uhr zu schauen, sondern nur fragend, welchen Durst sie wohl den Tag über hatten.

Die Katzen spielten zwischen den Baumstümpfen in den Gartenecken, wo im Frühling eine Glucke mit ihren kleinen Küken angebunden war. Eh, den Katzen schien es überhaupt nicht in den Sinn zu kommen, die Küken zu fressen, so klein und gelb und flaumig. Nur eine einzige konnte sich nicht beherrschen und als ich sie aus den Augen verlor, stürzte sie sich eines Tages geschmeidig auf das kleine Federvieh und tötete es im Nu. Die Glucke hatte keine Zeit aufzuspringen und sich aufzuplustern, um ihre Küken zu verteidigen. Wie auch immer, die Katze hätte doch den Sieg davongetragen. Dieses gestreifte Haustier war eine Schönheit. Es liebte uns über alles, hätte nie etwas Schlechtes getan, wäre ohne Erlaubnis nie ins Haus gekommen, konnte aber keine Küken sehen, ohne sie zu fangen.

Vater nahm sie in einem Rucksack mit aufs Fahrrad und brachte sie in die Weingärten des Staatsgutes, dort konnte sie den lieben langen Tag zwischen den Kirschen- und Weichselbäumen Sperlinge jagen. Nach ein paar Tagen war sie zurück, mit zerzaustem Fell von einer wahrscheinlichen Auseinandersetzung mit Hunden, die abends freigelassen wurden.

Dann wurde beschlossen, den bösen Gogo, so hieß dieser Felidenabkömmling, den wir als Kätzchen auf dem Feld gefunden hatten, weit außerhalb Bukarests zu bringen, von wo er nicht mehr zurückkommen kann. Vater hat die Katze bis weit hinter die Gemeinde Măgurele gebracht. Nach zwei Jahren staunten wir nicht schlecht, als Gogo enthaart, zerkratzt und hungrig, aber froh und in ihrem Element im Hausgarten auftauchte. Die Hühner hatten mittlerweile ihren eigenen, mit einem Schutznetz eingesäumten und abgedeckten Garten. Nicht nur die Katzen, Marder und Hunde, sondern auch die Hühnerhabichte und Füchse, die sich damals ins Südviertel der Hauptstadt verirrten, waren eine Gefahr für die Hühner und Küken.

Die Sommer der Jahre 1960 - 70 waren in Bukarest warm. Es folgten etwa zwei Jahrzehnte mit einigen kühlen Sommermonaten, und als ich nach einem weiteren Jahrzehnt aus Deutschland zurückkehrte, konnte ich es kaum glauben: Der Monat des Ofens, also der Juli, begann schon im Mai und erstreckte sich bis gut in den September hinein.

Die Landschaft der Wohnblocks war verschönert mit Kästen und Kabel, die eigentlich über den Köpfen friedlicher Menschen nichts zu suchen hatten. Nach einigen Besuchen habe auch ich verstanden: Ohne diese Kästen und ihre hängenden Kabel hätten die Bewohner Bukarests ersticken können. Der neue Gott ist die „gereinigte Luft“. Komisch ist aber, dass du in keiner europäischen Hauptstadt in vollem Sommer von oben nach dem Zufallsprinzip bespritzte Straßen siehst. Sollte der Erfindergeist schuld sein? Oder die Eile, etwas zu installieren, das anderswo keine Anwendung fand?

Wie auch immer, in jenen Jahren der neuartigen Demokratie in Bukarest wohnend, eine Demokratie, in der niemand deine Briefe liest, die Katzen, Hunde und besonders die Bibliotheksmäuse direkt von der EU-Zentrale beschützt werden, habe ich gelernt, nach oben zu blicken, um nicht Opfer jener universellen Spritzanlagen des Typs „Bukarester Sommer“ zu werden.

[aus dem Rumänischen von Anton Potche]


*Worterklärungen
- Regat = Königreich (Gemeint ist in Rumänien das „Altreich“, das die Regionen Moldau, Walachei und Dobrudscha zusammenfasst.)
- „Mäuse und Menschen“ = nach der Novelle „Of Mice and Men“ von John Steinbeck

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