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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2008-04-07 | [This text should be read in deutsch] |
„Gut 30 Jahre ist es her, dass die Disco-Szene die Welt revolutionierte. Schlaghosen, monströse Kopfbehaarungen und eng anliegende Hemden gehörten zum Standard-Outfit jeder Disco-Night. [...] Weder House noch Black kommen an diesen Abenden auf die Plattenteller, denn hier sind sich die Veranstalter treu: Dieses Zeitalter hat viel zu bieten.“ Meine Frau und ich saßen im Le Café und ich hatte zu einem Lifestyle-Magazin gegriffen. Mein Blick erhaschte die obigen Sätze und mir war sofort klar: Das ist eine Geschichte für Oldie-Fans.
Zu diesem Schluss fand die eine Seite meiner Kaffee-Überlegungen. Die zweite galt House und Black. Soll der Unterschied zu den „funkigen Klängen der 80er“ und den Rock-Classics wahrlich so groß sein, dass man daraus fast eine Glaubenssache macht? Zu Hause schob ich „10“ ins CD-Gehäuse und hörte rein, nicht zum ersten Mal. Das ist Musik vom Feinsten, eine Compilation-CD, herausgebracht anlässlich eines Jubiläums: 10 Years of Milk & Sugar Recordings. Klar, man kann diese Geschichte nicht ohne eine Begriffsbestimmung beginnen. Was vor 30 Jahren in Jahrmarkt schlicht und einfach ein Musikstück war, ist heute in München ein Track. Mit Jahrmarkt meine ich hier das im Banat liegende Dorf Giarmata, das vor 30 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes ein Blasmusikdorf war, in das der eine oder andere Schlager zwar vordringen konnte, eine Disco-Szene aber eher als Veranstaltung von einem anderen Stern nur von einzelnen Zeitgeistschritthaltern über fremde Radiosender wahrgenommen wurde. In den 1970er Jahren brachte die rumänische Plattenfirma Electrecord eine Single heraus mit zwei Märschen der „Fanfara din Giarmata, dirijor Mathias Loris“, also mit der Blaskapelle aus Jahrmarkt, oder um genau zu sein, mit einer der zwei Blaskapellen aus Jahrmarkt. Es war die erste und letzte Schallplatte mit Tonaufnahmen aus diesem Dorf in der Banater Hecke und die Stückzahlen dürften keineswegs für eine Vergoldung ausgereicht haben. Heute produzieren Milk & Sugar in ihrem eigenen Label (Plattenfirma) Releases, sprich Schallplatten-Veröffentlichungen, mit einem der größten Outputs, also Ausstoß oder Produktionsstückzahlen, der Welt. Ein weiter Weg aus dem Banater Blasmusikdorf in die unendlichen Weiten des Äthers, den der in Jahrmarkt/Giarmata geborene Michael „Milk“ Kronenberger mit seinem Münchner Kumpel Steffen „Sugar“ Harning hier zurückgelegt hat, könnte man lustvoll Zusammenhänge schmieden. Ob zumindest ersterer überhaupt ein Blasinstrument beherrscht, ist völlig belanglos, denn das Duo spielt keine Musik, sondern produziert Musik. Und sie präsentieren ihre dem elektronischen Wunderland (Studio) entstammenden Realeases nicht auf der Dorfbühne und in der deutschen Sendung des Temeswarer Rundfunks wie anno dazumal „Milks“ blasmusikbegeisterte Dorfvorderen, sondern in riesigen Diskotheken und Tanzpalästen rund um den Globus und in von Hunderttausenden gehörten Radioshows der Sender Big City Beats, N-Joy und Global Radio Ibiza. Musikmachen heißt bei Disk-Jockeys Platten auflegen und die Crowd, das Discovolk, zum Mitmachen anregen. Michael Kronenberger und Steffen Harning gehören zu den erfolgreichsten ihres Fachs. Es gibt nicht viele Acts, also Spieler, die so viele Bookings, Buchungen zu Auftritten, vorzuweisen haben. Das ist auch kein Wunder, denn wir reden hier von Veteranen der europäischen Discohous-Welle, eine Musikbewegung die erst vor etwa 12 Jahren von London aus ihren Siegeszug über den alten Kontinent antrat. Man vergisst bei „10“ schnell, dass hier vordergründig Handwerker und vielleicht keine talentgesegneten und auf Konservatorien ausgeformte Musiker am Werk sind. Dabei fanden es die Beiden gar nicht für nötig ihre bereits zu Klassikern des Genres avancierten Ohrwürmer „Love Is In The Air“ und „Let The Sun Shine“ auf diese Mix-CD aufzunehmen. Das Veredeln so manchen alten Schlagers mit neuen Rhythmen und Soundeffekten ist zweifellos mehr als ein dem Zeitgeist geschuldetes Überlebensprinzip in der Branche. Hier wollen Discohouse-Produzenten so weit wie möglich das ganze Universum der Musik zumindest andeutungsweise tangieren. Viele Stars verschiedenster Stilrichtungen scheuen sich längst nicht mehr, ihren Erfolgsliedern ein neues Klangkleid von Milk & Sugar anziehen zu lassen. Im biographischen Werdegang der zwei DJ’s sucht man vergeblich nach einer musikalischen Ausbildung. Ihr Gespür und Verständnis für eine Musikkultur, die weit über das tonale Befriedigen von grölenden und hupfenden Jungspunds hinausreicht, ist in ihrer Jubiläums-CD überzeugend belegt. Da werden ansprechende Instrumentalstücke mit einem Remix (neue Bearbeitung) versehen, der durch seine dynamischen Elemente den Interpretationsweisen klassischer Werke sehr nahe kommt. Was will man eigentlich mehr, wenn solche Musik die Grundlagen ihrer umworbenen DJ-Sets - das sind schlicht und einfach DJ-Live-Auftritte - bilden. Wer Musik als zeitlos versteht, kommt nie in Gefahr in Schubladen zu verkommen. Die Rhythmen der elektronischen Musik von Milk & Sugar schlagen zwar mit dem Puls der Zeit, ihre melodischen und harmonischen Unterbauten stammen aber – zur Genugtuung ihrer Bauherren – aus allen möglichen Stilrichtungen. Sollten, so betrachtet, meine vermeintlichen Oldie-Fans doch nicht nur vergeisterte Nostalgiker sein, sondern vor allem Liebhaber von Zeitresistentem in neuem akustischem Outfit, dann, ja dann richten Releases a la Milk & Sugar auch in einem altehrwürdigen Beatclub keinen bleibenden Schaden an. |
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