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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2016-11-25
| [This text should be read in deutsch]
Eine Straße mit Teich und Weingärten
Perinița*: eine kurze Straße mit langer Geschichte Die Perinița-Straße in Bukarest, Sektor 5, wurde 1956 geboren. Vetter Sandu (Alexandru) Găuță, der Geigenspieler, und Mutter, die ersten Grundstücksbesitzer in einer namenlosen Straße, wurden gefragt, wie sie heißen soll, wenn auch sie eine Straße wird mit Häusern und Menschen. Ich habe gehört, wie sie Vater in kurzen Sätzen erzählten: - Ich habe ihm gesagt, nach unserem Lied, das wir spielen, Herr Willi, Perinița … ich weiß, dass Sie nicht wissen, bei euch im Land tanzt Ihr nach anderer Musik, aber hier drehen die Leute sich und küssen sich … Und alle lachten und brachten Vater zum Erzählen in seinem lustigen Rumänisch, wie er aus dem Westen in den Osten kam und wie viel er lief, um den Rand Bukarests zu erreichen. Wenn Vater nicht verstand, war er immer einverstanden, „Richtig, Ja, Sie sollen leben, Jawohl“ ... Er sah aus wie ein Reporter für einige Tage auf Terrain, sie fühlten sich verpflichtet ihn zu fragen, wie es ihm geht, wo er noch war und wie lange er noch bleibt. „Du noch sagen zu mir, dass ich bin Deutscher“ … zeigte er sich bodenständig. Aber statt dass Vater korrekt lernte, ahmten die anderen ihn nach und lachten mit Appetit. Ãœber den Krieg hat man nie offen gesprochen. Ein stillschweigender Friede, ein ungeschriebenes Gesetz sorgte für eine ruhige Atmosphäre nach jenem schrecklichen Krieg. Am Rande Bukarests lebte man in einem Nachkriegsschweigen. Vater erkannte niemand von den Nachbarn, er fragte leise „wer ist das“, ich sagte es ihm, er merkte sich aber die Namen nicht und bedachte sie dann mit Spitznamen, so wie er es für richtig hielt, und niemand hat sich geärgert. Er blieb „Herr Willi von Vier“ und sie, die Nachbarn, wurden mit der Zeit das, was Vater in ihnen sah: eine lange Leana, ein Vetter* Floraru, Vetter Florică aus dem Tal, Vetter Maler, die hinkende Tanti, der Deutsche. Letzterer war ein Österreicher, der weiter entfernt auf der Măgurelle-Chaussee wohnte, in einem enteigneten Haus, ein bescheidener Mensch, den ich nur von den Sonntagen in der Kirche in Erinnerung habe. Manchmal grüßte ich ihn mit Jawohl Herr Anton (sein Familienname war Scherer; ich merkte ihn mir, weil ich glaubte, dass er Scheren anfertigt), er blinzelte nur, seine Stimme habe ich nie gehört, er streichelte mich sanft auf dem Kopf und ich spürte zum ersten Mal, dass auch ein erwachsener Mensch zittern kann. Herr Anton, „der Deutsche hinter der Brücke“ (weil er hinter der Brücke auf der Măgurele-Chaussee wohnte), verschwand so um 1981 gleichzeitig mit den Demolierungen der Vorstadt, die der Präsident, der mich viele Sommer und Jugendbaustellen kostete, beschlossen hatte. Zum Glück hörten die Demolierungen eine Straße vor unserer auf, an dieser berühmten Piatra Olt, jetzt ein Paradies der Sonnen- und Kürbiskerneesser, geduldige Menschen abends vor den Toren, aber auch Raser in der mit Löcher übersäten und mit Autos verstopften Straße … Wohin sie sich so beeilten, könnte ich Ihnen nicht sagen. Wenn du in die Perinița-Straße gingst, war sie nicht groß. Sie schien gar nicht eine Straße zu sein, weil sie nur Häuser auf einer Seite hatte. Links war nur Feld mit Horizont und Himmel. Das ganze Feld gehörte vor dem Krieg einigen Familien, die im Zentrum von Bukarest oder in Paris wohnten. Dort auf diesem Feld dehnte sich eine riesige Weizen- oder Roggen- oder eine Art Haferdecke für die kommunistischen Tiere aus, etwas weiter, hinter den Gärten mit reichen Weinstöcken gab es in der Mitte irgendwann mal einen versteckten Teich. Aus seinem Schlamm brachte Mihăiță in der Gauschel Kaulquappen. Die Kinder aus der Stadt kannten die Kaulquappen nicht, eigentlich wussten die Stadtkinder, genauer die aus dem Zentrum Bukarests, gar nichts. Sie wussten nicht, was Mäuse sind, nicht einmal was ein Feld ist, sie wussten nicht, was aus Eiern geborene Kücken sind, wie ein Habicht aus den Höhen des Himmels über einen Hof kommt und sich ein Huhn schnappt, sie wussten nicht, was die Biber sind, aus deren Felle alle modischen Kragen zu jener Zeit waren, was ein Maler oder Pinsel ist, oder wie man ohne elektrischen Strom wohnt, wie es die Einwohner der Obstgärten am Ende der Perinița-Straße taten. Heute, habe ich erfahren, ist dort ein Friedhof. Ein Gottesacker ist natürlich fruchtbar. Das Geld von den Kirschen ist nicht gleich mit dem Geld von einem Platz für die Ewigkeit. - Aha, Anneliese, schau, es frisst dich eine Kaulquappe. – So trieb Mihăiță sie durch den Staub der Straße, die an ihren Seiten mit ausgebrochenen Steinen gepflastert waren. Es waren die letzten Reste der alten Bukarester Villen, in welchen man bis vor dem Krieg gut lebte, aber die jetzt die Stille umsäumten, ein Friedhof abgelebter Wände, die Straßen der Vorstadt Rahova. Und meine Kusine Anneliese, die nicht meine Kusine war, aber so als ob sie es wäre, erschrak sehr stark. Sie schrie so fein wie eine Maus, auch Tante Ziri, ihre Mutter, schüttelte sich. Sie hatte den Eindruck, dass ich die nostalgischen Zusammenkünfte, bei denen sie sich ausruhten, Mutter um die drei Tische rotierte, Vater, wenn er da war, vom Fußball redete oder sich beim Brettspiel vergnügte und ich „anständig“ sein musste, stören wollte. Die anderen Kinder durften machen, was sie wollten, und schreien, so laut sie konnten, waren sie doch zu Besuch auf den Hof gekommen, um den Spannungen und Bedrückungen des Blocklebens zu entkommen. Einige schrien so, dass sie Vater aufregten, der sie dann zurechtwies, worauf die Eltern der Kinder ihn zum Nazi machten, wutentbrannt ihre Tasche ergriffen, und weg waren sie. Vater lachte und zog noch einen Vergleich, der ihm wahrscheinlich wie zu fortgeschrittener Stunde nicht mehr von einem Ende zum anderen gelang, aber für ihn schien immer alles in Ordnung zu sein: „Was nicht in Ordnung ist, klärt jeder selber, denn darum hat er einen Kopf.“ Anneliese war ein verwöhntes Kind. Die ganze Welt bewunderte sie, weil sie langes Haar hatte, sehr lang, dass es ihr über die Hüften reichte. Eine Waffe, die sie ein Leben lang einsetzte, bis es niemand mehr interessierte und sie eine normale Frau wurde, eine Frau mit sehr langem Haar. Das Wasser war wie Staub, es zerrann dir zwischen den Zehen und du verlorst dich nach unten. Es war nicht wie in den sich bewegenden Sanddünen, aber so ähnlich. Der von Jahr zu Jahr größer werdende Teich lag in der Mitte des Feldes. Die Traktoren mussten ihn beim Ackern umfahren. Für uns war es eine Art Erlebnispark. Niemand machte sich die Mühe, uns von dort wegzuholen. Aber ich hörte sie rufen und die Drohungen waren echt und manchmal mit Folgen. Für die, die von jenen Zeiten nichts gehört haben, erwähne ich: Es gab keine Erlebnisparks, es gab kein McDonalds, es gab keine Terrassen, außer für hohe Leute, aber es gab Straßenmusikanten, kleine, einige Hunde am Straßeneck und etwas weiter irgendein armer Mensch, der aber zu stolz war, um den für ihn lebenswichtigen Bettelstab in die Hand zu nehmen. Neben dem Herăstrău-Park war ein Zirkus, gefühlt am Ende der Welt wegen der Straßenbahnfahrt von einem Ende zum anderen. In den Zirkus gingen wir einmal im Jahr. Wir sahen von Weitem ein zauberhaftes Licht, es roch stark nach Pipi von den Tieren, und wenn ein Hündchen nicht springen wollte, hörten wir die dünne Peitsche, für unsere kleinen Augen unsichtbar, das Orchester schien die Blaskapelle aus CiÈ™migiu zu sein, die meisten der Kinder weinten, die Mütter ärgerten sich über die Väter, weil sie die Karten gekauft hatten, draußen aß man Mici* und trank Bier, und die braveren Kinder tranken Saft, die böswilligen weinten, ihre Tränen schluckend, und zertrümmerten die Flasche, bei einer Ohrfeige brüsk innehaltend. Die Hunde unter den Tischen freuten sich, wenn die Kinder weinten, dann waren die Kipfeln größer. Die Hände der Kinder aus unserer Straße waren nie sauber, als hätten sie sie in Fett gewaschen. Annelieses Blässe erinnerte eher an eine Krankheit, nicht an ihre Reinheit. Einmal hat eine der Leanas aus der Straße gefragt, ob wir viel Milch trinken oder uns mit Nivea eincremen, denn normalerweise könnten wir nicht so weiß sein. Mihăiță schien erwachsener und fröhlicher an den ersten Herbstschultagen zu sein. Die Bască* war auf dem Kopf, der Rock hatte noch Knöpfe, und was noch wichtiger war, man hatte ihm zum ersten Mal nach dem langen Sommer die methylblauen Flecken ausgewaschen. Bis zum Winter kam dann alles wieder „in den alten Zustand“. Die blauen Flecken der Kinder tauchten wieder an gleicher Stelle auf, die Knöpfe landeten in den Falten der Straße, die Mützen flogen so oft in die Höhe, bis sie nur noch ein streunender Hund fand, und Mihăiță war glücklich, wenn er nach den Tropfen, die ihm Mutter verabreichte, besser atmen konnte. Die Konstante jener Tage waren die Steine in den Pfützen. Wir hüpften von einem zum anderen. Ich kann mich keines Fluches erinnern. Hüpfend setzten wir alle unseren Weg fort. Zum verfluchen, gab es viel, aber die Wut schien mittels eines unsichtbaren Rädchens wie bei einer Gaslampe auf Sparflamme zu lodern. Die Gaslampen sind faszinierend. Sie sind mir in allen Ländern begegnet. In England sind sie rot, in Deutschland milchig weiß und heißen „von Wuppertal“, weil dort die Kohleminen waren. In Frankreich sind sie auf dem Land gelb. Auf dem englischen Trödelmarkt sind sie am teuersten und im Norden Deutschlands, um die Stadt Bremen, kommen sie noch abends bei Nebel mit kleiner Flamme am Hofrand oder in der Veranda zum Einsatz. Der Himmel war nie größer als dort über jenem Feld mit Teich, mit seinen Zugvögeln, den Wegen, die durch ihn führten und von den Bewohnern des Obstgartens benutzt wurden. [aus dem Rumänischen von Anton Potche] *Worterklärungen Perinița (rum.) = Aussprache: Perinitza Vetter = Kinderansprache zu älteren Männern Mici (rum. mici – deutsche Lesart: Mitsch) = in Rumänien sehr beliebte gegrillte Würstchen aus Hackfleisch Bască = in Rumänien sehr verbreitete Stoffmütze für Männer |
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