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Bei der Granatapfelernte in Rahova – 14
prose [ ]
Erinnerungsroman von Anni-Lorei Mainka [Almalo ] (1958 - 2014)
Compilation: Ãœbersetzungen

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by [Delagiarmata ]

2017-12-22  | [This text should be read in deutsch]  

Literary Translation - Translations of classic and original poetry and other materialsThis text is a follow-up  | 



Von Mutter und Vater und wie gut es tut, gegrüßt zu werden

Die Großmutter mütterlicherseits war eine kleine Frau, ein Vollmondgesicht, still, und wenn sie doch redete, hob ihr Sächsisch die Sanftmütigkeit der Marienburger Mundart noch stärker hervor, was ich von Dialekten, die ich Sonntag für Sonntag nach dem Gottesdienst vor der Lutherischen Kirche in Bukarest gehört habe, nicht sagen kann.

Einige schienen sogar einen finno-ugrischen Einschlag zu haben.

Marienburg, rumänisch Hetiur, wurde 1381 urkundlich erwähnt und feierte 1981 sein 600-jähriges Gründungsjubiläum. Ich habe Mutter viele Jahre danach nicht mehr so zufrieden gesehen wie bei diesem Treffen mit den „Söhnen des Dorfes“. Es ist eine Erinnerung wie aus einem Märchenbuch, aber in dem gegen Abend die Menschen weinten, einige vor Traurigkeit, andere vor Freude, und andere hatten vergessen warum.

Als ich sie fragte, antworteten sie mir leise, sie fühlen sich, als wären sie weit weg von ihrem Land, aber welches ihr Land ist, wussten sie nicht genau.

Ana Hartmann, geboren am 15. Februar 1900 in Marienburg (Hetiur), wurde von Tanten großgezogen, weil meine Urgroßmutter, ihre Mutter, in Boston, USA, auf Arbeit war.

So war meine Großmutter Ana schnell mit Michael Theiss aus Metiș (Martinsdorf) verheiratet. Sie hat von ihren Eltern ein nicht fertiges Haus, einen Hof mit Bach hinter der Scheune und ein Stück Hügel mit Wald bekommen.

Und was machten die Urgroßeltern? Sie arbeiteten in den großen Fabriken, die über Nacht an der Ostküste der Vereinigten Staaten hochgezogen wurden, häuften Geld an; und die Urgroßmutter kehrte etwa alle zwei Jahre zurück, um zu Hause zu entbinden, gepflegt wie eine siebenbürgische Wöchnerin und nicht wie eine Geflüchtete aus den Randzonen Bostons.

Dann kaufte sie von dem ganzen Geld das Notwendige für die in Obhut gelassenen Kinder und begab sich wieder auf den Weg der Fremde.

Ein weiter Weg von Marienburg nach Boston, aber beginnend mit den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts machten viele sächsische Familien das Gleiche. Doch endgültig wegzugehen, ging ihnen nicht durch den Kopf. Die Kinder wurden in Siebenbürgen geboren, waren im Geiste der Umgebung erzogen und die Weggegangenen kehrten im Alter zurück, um zu Hause zu sterben.

So auch meine Urgroßeltern, Ana und Misch, wie nachher auch meine Großeltern hießen.

Sechshundert Jahre lang hießen die Frauen aus der Familie der Mutter Ana. Und die Männer rief man vorwiegend Michael, sächsisches Diminutiv „Misch“. Dann folgten Andreas, Martin und Hans, manchmal Alfred und eine Zeit lang auch Adolf. Die Namen der Heiligen waren Gesetz und die Gemeinschaft hatte einen Mittelpunkt, den niemand anzweifelte: die lutherische Kirche.

Moter war meine Großmutter Ana, so riefen sie die Leute – alle Großmütter Siebenbürgens nannte man damals so: Moter und Vauter (Großmutter und Großvater).

Sie kam selten nach Bukarest, ihre jüngeren Töchter als Mutter zu besuchen, Tante Frieda und Tante Elfi, die sie dauernd bemitleidete, oder sie kam, um nach München zu ihrer Zwillingsschwester zu fahren oder nach Boston zu Tante Kathi, ihre größere Schwester, die sogar sie „Tante“ nannte.

Der Respekt vor jedermanns Alter hat mich beeindruckt. In Bukarest sprach man schon mit „mă“ und „bă“*, in der Schule oder in Kaufläden hörtest du auch ein „Sie“.

Meine erste Reise in das Dorf Marienburg machte ich in meinem achten Lebensjahr in den großen Ferien. Dabei sah ich zum ersten Mal die Berge und wie die fahrenden Züge alles in ihrem Umfeld einräucherten.

Der Nordbahnhofgeruch ist ziemlich verschwunden. Um ihn künstlich zu erzeugen, müsste man vielleicht heiße Kohlen undefinierbarer Qualität mischen mit Wasser, nassem Sand, Herbstblätter, viel klebrigem Dampf, Säcken gefüllt mit Allerlei, müden, nach Bier riechenden Menschen, bulgarischem Rosenöl, Schlüsselseife, Polenta …, und all diese Gerüche eine zeitlang im Nachtnebel zwischen Predeal und Bușteni halten.

Ich fuhr einen Tag lang von Bukarest nach Schäßburg, dann mit einem Koffer Moters, noch aus Holz, einem Rucksack und natürlich einer großen Tasche mit meiner Wäsche - annehmend, dass wir oft in die Stadt gehen werden, nahm ich mir ich weiß nicht wie viele Kleidchen mit - gingen wir in den Busbahnhof, um unsere Reise mit Rimbi fortzusetzen.

Rimbi – so nannte man den Bus, der die Menschen aus Schäßburg in die umliegenden Dörfer brachte.

Rimbi fuhr uns die fünf Kilometer bis Marienburg (Hetiur), wo er damals hinter dem Krämerladen hielt, in dem man alles wie unter einer Kugel, die nach Naphthalin und Mäusegift roch, fand. Auch heute kann ich mein Erstaunen von damals noch nachempfinden, als ich aus Rimbi stieg, so viel Himmel hatte ich in Bukarest noch nie gesehen.

Stille, ein Dorf am Rande einer breiten Straße, auf der die Pferdewagen in beiden Richtungen fahren konnten, die Tiere kamen abends von der Weide, gingen durchs große Tor in geräumige Höfe; etwas ganz anderes als die Kleinteiligkeit und die löchrige Gangart in der Hauptstadt.

Moter wusste nicht, dass ich so viele Tierarten noch nie gesehen hatte, und war ziemlich erstaunt, dass ich mich derart wunderte. Am Abend stand ich mit ihr am Fenster und schaute, wie die Gänse- und Entenscharen vorbeizogen, dabei gemächlich ein mit Gänsezwiebelfett bestrichenes Schwarzbrot kauend.

Von wo sollte ich wissen, dass auch die Tiere ein Gedächtnis haben und ihren Zaun erkennen, oder von wo sollte ich wissen, dass es wirklich Wölfe und Füchse gibt, die ins Dorf kommen und rauben?

In Bukarest gab es Hunde, einige Hähne und ab und zu einen Uhu oder einen Specht, aber so viel.

Ich habe geglaubt, dass das alles Erfindungen der Schriftsteller sind, um die Kinder zu erschrecken.

Meine Mutter unterwarf sich als älteste der Geschwister einem ungeschriebenen Gesetz: Sie musste ihre Mutter und die Geschwister unterstützen, so dass wir ihnen viele Pakete schickten, die ich mit Mutter zur Post an der Barriere brachte, nachher die Quittungen sorgfältig für Vater sortierend, der sie unter der Rubrik „verschiedene Ausgaben“ einordnete.

Moter waren die zwei Silben für die Frau, die dir zuerst Mutter ist und dann Großmutter, beides in Einem, wie es zum Beispiel die „Ahnfrau“ in der rumänischen Sprache wäre.

Meine Moter, die sich nie schminkte und nie ihr Haar schnitt, das sie in einem geflochtenen Zopf trug, dünner geworden mit der Zeit, festgehalten in Spangen noch aus österreich-ungarischem Kupfer, hatte eine Rente von 40 Lei, symbolisch.

Natürlich war die Feldarbeit schwer für sie, aber das ganze Dorf arbeitete auf dem Feld, man lebte von der Ernte, der Viehzucht und den Paar Geldscheinen aus der Kollektivwirtschaft im Dorf. Mit diesem Geld fuhr sie nach Schäßburg, um mit den Verwandten aus der Stadt zu plaudern oder sich Stoff für Röcke zu kaufen.

Moter hat immer die sächsische Tracht getragen. Nur wenn sie nach Boston fuhr, kleidete sie sich „modern“. Ein Leibchen über einem Hemd mit Spitzen am Hals war sowieso Pflicht, dann waren die Röcke auch lang, aber doch nicht so lang, um ihre Schwester auf dem amerikanischen Flughafen zu beschämen.

Ich kannte sie nur in mehreren Röcken übereinander, mit Unterröcken aus Baumwolle, alle handgenäht, liebevoll bestickt an Ärmel und Kragen.

Öl, Zucker, Salz und Gewürze wurden in dem einzigen Laden des Dorfes gekauft. Dort wurden die Schokolade, die zweierlei Kekse, Biskotten oder Fruchtkonserven so lange gelagert, bis sie verkauft wurden. Die Etiketten waren von Zeit und Licht verwischt. Für die Dorfleute war das zu teuer, aber es gab ja genug Obst auf den seit hunderten von Jahren mit Hingabe bearbeiteten Hügeln.

Als ich das letzte mal dort war, um ihr zu sagen, dass ich in die Fakultät aufgenommen wurde, waren die Hügel leer – die Weingärten lagen brach, vergessen von den neuen Generationen, die fast alle in den Fabriken in der Stadt arbeiteten. Jetzt wuchsen auf den Hügeln junge Bäume, die weniger Pflege brauchten.

Das Dorf war fast leer, die meisten Alten waren auf den Friedhof auf dem anderen Hügel umgezogen, die jungen in alle Himmelsrichtungen zerstreut – nach Deutschland oder in die Stadt. So blieben die Hügel zurück, wieder wartend, bis die Leute aus ihrem Fernweh zu sich kommen.

Unlängst fuhr ich bangen Herzens vorbei – noch hatte ich nicht den Mut, an Mutters Dorf anzuhalten, nach dem Haus ihrer Kindheit zu suchen, in anderen Grenzen erbaut, den österreich-ungarischen, über die Hügel zu schauen und den Waldessaum zu betreten.

Siebenbürgen erholt sich, das ist sicher. Die Dörfer um Kronstadt haben sich kräftig geschüttelt, sind wiederhergestellt, die sauberen Farben im Einklang mit der Natur erwärmen dir das Gemüt.

Siebenbürgen konnte nicht weiter mit seinen bröckelnden Fassaden auffallen, eine Welt, durch die Pferdewagen mit an einer Schnur angebundenen Hunden fahren, wie ich es um 1991 bei einer Busfahrt durch Nordsiebenbürgen sah.

Morgens früh fuhren sie hinaus zum Einbringen der Ernte, das Stroh zu Ballen zu bündeln. Abends kam ein junger Traktorist und brachte jedem die seinen nach Hause. Alles wurde geteilt. Es war um die Augustzeit. Alle im Dorf mit Rechen, einer nach dem anderen, eine friedliche Gemeinschaft schritt einher, um eine Art Reinigung auf den umliegenden Feldern des Dorfes vorzunehmen.

Meine Großmutter, schon älter, kümmerte sich auch um das Essen. Sie dachte, dass ich es mit einigen Kindern schaffen werde, das Mittagessen aufs Feld zu bringen.
„Also geh jetzt mit Dorel und Mia und bring ihnen die Suppen und das Brot.“
„Oma, das kann ich nicht allein.“
„Doch, du musst es schaffen, auch wir haben vieles können. Schau, die Leute warten!“

Also habe ich mit Mia, die Nachbarin von der gegenüberliegenden Straßenseite in Marienburg, einige Töpfe mit Suppe und Brot getragen, ja, Brot im Backofen gebacken. Zu jener Zeit, es war 1966, hatte Oma noch einen Backofen und Lust, ihn zu schüren.

Und als wir nach Hause gingen, bin ich mit den Kindern quer übers Feld gegangen. Und die Kinder haben mir nicht gesagt, wie ein Wildschwein aussieht. Als wir uns dann gegenüberstanden, bin ich erschrocken … und das war’s.

Ich dachte, es ist ein normales Schwein und es dachte, dass ich ein Jäger bin, und so weiter. Die ganze Jagd endete damit, dass das Schwein in seinen Wald lief und ich meine Schuhe nie mehr gefunden habe. Oma war böse, weil das Dorf über die Enkelin aus Bukarest lachte, und Mutter war verärgert, weil Oma nicht auf mich aufgepasst hat und ich barfuß nach Hause gekommen bin.

Ich habe das Dorf in meiner Studentenzeit lediglich bei Beerdigungen gesehen, nur Mia hat mich wiedererkannt, und die Geschichte mit den verlorenen Schuhen hat Mutter mir nie verziehen. Ich weiß heute noch, wie sie ausgesehen haben: Sport, braun, mit Schuhbänder.

Das sagte Mutter mir mit einem Anflug eines schlechten Gewissens, weil sie nie nach Marienburg hinter Schäßburg fuhr. Sie schickte Pakete und ein paar Briefe im Jahr, sonst großes Schweigen. Ich habe mehr an der Kirche von Tante Frieda und Tante Elfi erfahren. Sie sprachen mit Moter am Telefon, also am Telefon des Dorfbürgermeisters, wo Moter hingerufen wurde, um mit ihren zwei Mädchen aus der Hauptstadt zu reden.

Zu meiner Mutter sagte Moter nie „mein Mädchen“, sie war immer „Eni aus Bukarest“ … die, die Pakete schickte und zur Schande des Dorfes einen Deutschen geheiratet hatte, einen Volksfeind.

1945 kam über Nacht die Deportation. Die Russen, die angeblich besser als die Hitleristen waren, kamen in Scharen und wollten Uhren, Essen und Frauen. Moter hat mir gesagt, dass sie sehr müde waren und schlecht gekleidet. Ich glaube nicht, dass das alles war, was sie mir hätte sagen können, aber ich war 15 Jahre alt und sie war keine große Erzählerin. Aber diese Russen haben „Vauter“ (Großvater) genommen, Misch und Tante Johanna.

Die drei waren zehn Jahre in der Mine in Sibirien, von wo sie zurückkamen, um langsam, aber sicher zu Hause zu sterben. Johanna ist nach zwei Jahren gestorben, Großvater nach fünf, beide an Stimmbänderkrebs, den sie aber nicht vom Reden bekommen haben, sondern wahrscheinlich vom Kohlenstaub.

Meine Tante Johanna bewegte sich nach ihrer Heimkehr schwerfällig und saß immer am Fenster, auf Andere wartend, die vielleicht noch aus Sibirien zurückgekommen sind. Ewig hat sie am Fenster nicht gewartet, und als ich und Mutter ankamen, lebte sie nicht mehr lange, immer wieder nach Namen fragend, die niemand kannte.

Das Warten kann dich eine Zeitlang am Leben erhalten, aber wenn niemand zurückkommt, scheint auch das Sitzen am Fenster dich umbringen zu können.

Ich war nur wenige Jahre alt bei diesen Bestattungen, aber ich erinnere mich an Zimmer voll mit Menschen, den langen Weg, schwarz, zu Fuß durchs ganze Dorf, der lange, auf Schultern getragene Sarg, der tote Mensch, der keinen Augenblick allein war. Mutter erzählte, wie ich versuchte, mit Großvater zu reden und fast aufs Bett gestiegen wäre, um noch seinen Schnurrbart zu zwirbeln.

Krank und allein im Tod, aber die Angehörigen waren nicht weit, wie es heute vorkommt.

Mutters großer Bruder, Misch, ist heuer 87-jährig in Deutschland gestorben. Er wurde eingeäschert – das ist billiger -, danach für einige Wochen aufgebahrt, bis alle Zeit hatten, dann in einer Viertelstunde in einer Art Blumentopf neben seiner Schwiegermutter, eine andere vom Tod verschluckte und in einer Ampulle in fremder Erde ruhende Sächsin, beigesetzt.

Großvater kam zu Fuß aus Sibirien und jetzt in den Friedhof. Ich fragte mich, was er wohl zu den Mini- und Maxigräbern mit allerlei Abziehbildchen sagen würde – wie würde er seinen tausende Kilometer langen Fußmarsch aus Sibirien für ein Grab wahrnehmen?

Moter, wie war es in Amerika?
Moter flog alle drei Jahre nach Amerika zu Tante Kathi, ihre große Schwester. Wir fuhren sie nach Băneasa*, mit einem kleinen Koffer, den sie tragen konnte. Ich war klein, alles kam mir groß vor und Amerika, wohin sie flog in den 60er Jahren, am größten und weitesten.

Im Jahr der Mondlandung kam Moter gerade aus Boston zurück. Schon im Auto, mit dem wir sie vom Flughafen abgeholt hatten, zitterte ich vor Neugierde über ihre Meinung zu den Menschen, die auf den Mond gekommen sind, die ich klein, in schwarz-weiß im Favorit-Fernseher gesehen hatte. Moter antwortete gelassen:
„Nein, mei Meidscha, det is nit wahr.“*
„Aber ich habe es gesehen.“
„In Amerika glauben dit och nit.“
Das Thema war geschlossen, niemand wollte mehr etwas vom Mond und den Amerikanern wissen, ich sprach nicht sächsisch, versuchte aber weiter, sie zu einer Erklärung zu bewegen, was mir nicht gelungen ist.

Woher Moter dieses Urteil gegen die Mondlandung hatte, habe ich nie erfahren. Mutter sagte mir, ich solle sie in Ruhe lassen in den folgenden Jahren, denn es wäre nicht meine Aufgabe, die Wahrheit zu erfahren, und von Moter würde ich eh nichts hören.

Als sie zurückkam, blieb sie einige Tage bei uns und beobachtete uns erstaunt, wie wir so viel zu tun hatten.
„Dat Amerika ist schen. Ja, die Menschen dort haben Arbeit.“

„Gut“, sagte ich ihr, „auch hier hat jeder etwas zu tun“. Aber dann sagte sie mir, dass die Amerikaner neben Arbeit auch große Maschinen haben und Schwimmbecken und Gärten und größere Zimmer als die unseren.

„Moter, was sollen wir mit Schwimmbecken oder Maschinen anfangen?“
Die Antwort war ein langgezogenes Gesicht.

„Aber was ist anders als bei uns, Moter?“

„Ich war traurig, auf ihrem Flughafen hat mich niemand erkannt, wenn ich bei mir in Schäßburg aus dem Zug oder Rimbi* steige, grüßen die Menschen mir, sie erkennen mich und das ist sehr gut, mein Mädchen.“

Ich denke in jedem Bahnhof an Moter, die erwartete, auf jedem Flughafen in Boston, im Nordbahnhof oder auf dem Flughafen Băneasa gegrüßt zu werden. Erst nach vielen Jahrzehnten habe ich Moters Worte verstanden, nach vielen Bahnhöfen, in denen ich mich verloren fühlte wie in einem Wald, ganz gleich wie viele Informationspunkte und farbige Bildschirme aus den Pixeltiefen für mich und nur für mich leuchteten.

Sie war eine betagte Frau, die bis in ihr Todesjahr gereist ist und erwartete, dass man sie überall, wo sie vorbeikam, erkannte und grüßte. Ein Zeichen, dass du bist oder nicht, kann dich ein Leben lang begleiten.

Vielleicht ist es besser, dass sie nicht mehr weiß, wie du innerhalb einer Viertelstunde aus dem Leben scheidest, nach einem Ritual der Sanduhr, die ohne Minutenanzeiger auskommt.


[aus dem Rumänischen von Anton Potche]


*Worterklärungen
- „mă“ und „bă“ (rumänische Interjektionen) = „heda!“, „hör mal!“ oder „bäh!“, „igitt!“
- Nein, mei Meidscha, det is nit wahr. (siebenbürgisch-sächsischer Dialekt) = Nein, mein Mädchen, das ist nicht wahr.
- Rimbi (sächsische Mundart) = Bus

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